Knüppel aus dem Sack?

Über die Kunst der angemessenen Sanktionen im Führungsalltag

Spätestens seit der Abschaffung der körperlichen Züchtigung in den Schulen ist dem Begriff «Sanktion» ein eher fragwürdiges Image gewachsen. Und mit jeder weiteren Generation verfestigt sich die Annahme, dass Sanktion – oder besser «Bestrafung» – für den modernen aufgeschlossenen Menschen keine Option sei. Es liesse sich lange darüber debattieren, welche Auswirkungen ein völliger Wegfall von Sanktionen für die Gesellschaft haben könnte. Ganz sicher aber spielen Sanktionen im beruflichen Führungsalltag eine bedeutende Rolle. Denn nur die wenigsten Chefs verstehen sich auf die Kunst der angemessenen und wirkungsvollen Sanktion. Machen wir uns nichts vor. So sehr man sich im Unternehmen ein reibungsloses, weil von grösster Motivation getragenes Zusammenspiel aller Mitarbeiter und Vorgesetzten auch wünscht, holt uns die Realität doch mit gnadenloser Beharrlichkeit auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn wir haben es eben nicht nur mit reifen, verantwortlich handelnden, leistungsbereiten und motivierten Individuen zu tun, sondern auch mit solchen, welche egoistisch und faul sind und sich beharrlich weigern, ihren Dienst im Sinne der Sache zu tun.

Klassische Führungsfehler

Oft zeigt sich eine interessante Kombination von weit verbreiteten Fehlern im Führungsverhalten: Aus Angst vor Konflikten oder falsch verstandenem Harmoniebedürfnis schauen viele Chefs zu lange «darüber hinweg», bis ein gewisser Punkt der Toleranz überschritten wird. Blitzartig – und für die Mitarbeiter völlig überraschend – greift der Vorgesetzte dann zu drakonischen Massnahmen, welche nicht selten völlig überzogen und in ihrer übertriebenen Härte oft ebenso wirkungslos sind. Aber eigentlich ist die Kunst der angemessenen Sanktion kein Hexenwerk. Würde man frühzeitig lernen, dass zum Beispiel eine willkürliche, weil von eigenen unkontrollierten Emotionen diktierte Bestrafung von Mitarbeitern ohne Konzept und in übertriebener Härte – wenn überhaupt – nur Angst und innere Machtkämpfe zwischen Mitarbeitern und Chefs erzeugt, wäre das ein solider Anfang. Man würde erkennen, dass jede Toleranz gegenüber unzureichenden Leistungen das Qualitätsniveau unaufhaltsam senkt, wenn nicht klare Grenzen festgelegt, kommuniziert und konsequent eingehalten würden. Man würde aber vor allem begreifen, dass Sanktionen transparent und in der Sache auch logisch zu sein haben. Es muss eben keinesfalls immer «der Knüppel» sein, der dann aus dem Sack gezaubert wird. Sehr viel wirkungsvoller erweist sich manchmal schon ein klares Wort ohne jede Theatralik oder Drohungen, dass es so nicht geht.

Interessantes Paradoxon

Sollte der Kurs tatsächlich in Richtung «Abmahnung» oder gar «Kündigung» weisen, zeigt sich ein interessantes Paradoxon. Denn je entschlossener ein Vorgesetzter zur Durchführung ist und dies auch klar kommuniziert, desto unwahrscheinlicher wird es dazu kommen. Der Mitarbeiter spürt diese Entschlossenheit instinktiv und wird sehr oft sein Verhalten vorzeitig verändern. Vorallem aber ist die Konsequenz des Vorgesetzten die wohl wichtigste Voraussetzung. Denn es ist die klare Berechenbarkeit, welche dem Mitarbeiter die Möglichkeit gibt, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Konsequente Anwendung macht die Sanktionen demnach oft überflüssig.

Autor: Frank Goffin, Executive Head Coach
Publikation: KMU News 9 | 19 des Gewerbeverband Basel-Stadt